Aktuelle Entwicklung im eCommerce-Recht (September 2016 - November 2016)
1 . OLG Köln: Angabe einer Telefonnummer im Impressum nicht zwingend erforderlich
Der Betreiber eines Online-Shops kann seine fernabsatzrechtliche Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB dadurch erfüllen, dass er dem Verbraucher ausreichende Möglichkeiten zu einer schnellen Kontaktaufnahme und effizienten Kommunikation zur Verfügung stellt. Die Einrichtung eines Rückrufsystems mit den Möglichkeiten, per Chat oder E-Mail Kontakt aufzunehmen, kann diesen Anforderungen genügen. Die Angabe einer Telefonnummer und/oder Telefaxnummer vor der Vertragserklärung des Verbrauchers ist in einem solchen Fall folglich nicht zwingend erforderlich (OLG Köln, Urteil vom 08.07.2016, Az.: 6 U 180/15).
Obwohl in Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB die Angabe einer Telefonnummer ausdrücklich als Pflichtangabe genannt ist, sei diese Vorschrift im Lichte der Richtlinie 2011/83/EU dahingehend auszulegen, dass nicht die physische Existenz eines Telefon- oder Telefaxanschlusses maßgeblich sei, sondern, auf welchem Weg eine schnelle und effiziente Kommunikation des Verbrauchers mit dem Unternehmer gewährleistet wird.
Die Entscheidung wagt sich an den Rand des juristisch Machbaren, heißt es doch unter Juristen üblicher Weise, dass die Grenze der Auslegung am sprachlich ermittelten Wortsinn endet. Ein Telefon ist ein Telefon. Bis zu einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof raten wir außerhalb des OLG-Bezirks Köln vorerst davon ab, auf eine Telefonnummer im Impressum zu verzichten. Der sichere Weg bis zur höchstrichterlichen Klärung ist - wie gewohnt -, die Telefonnummer stets anzugeben.
2. BGH: Reichweite der Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Mit Urteil vom 12.10.2016 (Az.: VIII ZR 103/15) hat der BGH die Reichweite der Beweislastumkehr des § 476 BGB zugunsten des Verbrauchers ausgeweitet.
Wortlaut des§ 476 BGB: „Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.“
Der § 476 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Beweislastumkehr zugunsten des Käufers schon dann greift, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Weiter ist § 476 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Käufer die dort geregelte Vermutungswirkung auch dahin zugutekommt, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.
Zusammenfassend muss der Käufer demnach lediglich nachweisen, dass die Kaufsache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die eigentlich zu erwarten gewesen wäre und den Mangel innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf anzeigen.
3. „Sofortüberweisung“ ist zumutbare Zahlungsmöglichkeit
Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.08.2016, Az.: 11 U 123/15) stufte das Online-Zahlungssystem „Sofortüberweisung“ der Sofort GmbH als gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsart im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ein.
Bei diesem Verfahren ist eine Registrierung beim Zahlungsanbieter nicht erforderlich. Der Käufer übermittelt die Online-PIN seines Bankkontos sowie eine für eine Transaktion gültige TAN an die Sofort GmbH. Diese führt nach Überprüfung des Kontostandes die Überweisung an den Händler aus und teilt diesem sofort die Transaktion mit.
Die Zahlung über „Sofortüberweisung“ sei nicht aufgrund des Umstandes unzumutbar, dass der Käufer gezwungen werde, der Sofort GmbH seine Kontozugangsdaten mitzuteilen und in den Abruf von Kontodaten einzuwilligen. Auch das Bestehen abstrakter Missbrauchsgefahren (PIN, TAN) - ohne Darlegung konkreter Sicherheitsgefahren - vermöge die Zumutbarkeit nicht infrage zu stellen.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist ausschließlich für Händler relevant, welche für andere Zahlungsarten zusätzliche Gebühren verlangen. Demnach kann die Zahlungsmöglichkeit über „Sofortüberweisung“ als einzige kostenlose Zahlungsart im Online-Shop angeboten werden. Eine höchstrichterliche Klärung bleibt abzuwarten. An der grundsätzlichen Zulässigkeit der Zahlungsart „Sofortüberweisung“ bestehen keine Zweifel.
4. BGH: Wertersatzanspruch des Verkäufers nach Verbraucherwiderruf
Dem Verbraucher stehen nach dem Fernabsatzrecht weitgehende Prüfungsrechte im Hinblick auf die Ware zu. Dies dient der Kompensation von Nachteilen aufgrund der dem Verbraucher im Fernabsatz entgehenden Prüfungs- und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten, die im stationären Handel gegeben wären. Dass der Verbraucher jedoch nicht berechtigt ist, die Ware nach seinem Belieben ohne jegliche Wertersatzpflicht zu prüfen, stellte der BGH mit Urteil vom 12.10.2016 (Az.: VIII ZR 55/15) klar.
Der BGH entschied, dass ein Verbraucher, der einen im Onlinehandel erworbenen Katalysator in sein Fahrzeug eingebaut hatte und anschließend eine Probefahrt unternahm, nach dem daraufhin erfolgten Widerruf seiner Kauferklärung verpflichtet ist, dem Verkäufer Wertersatz für die bei der zurückgegebenen Sache eingetretene Verschlechterung zu leisten. Den streitgegenständlichen Katalysator hätte der Kläger auch im stationären Handel nicht dergestalt ausprobieren können, dass er dessen Wirkungsweise auf sein oder ein vergleichbares Kraftfahrzeug nach Einbau hätte testen können. Die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen gingen über die Kompensation solcher ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im Ladengeschäft hinaus.
Wann genau ein Online-Händler Wertersatz geltend machen kann und wie weit das Prüfungsrecht des Käufers im Einzelfall reicht, ist auch durch diese Entscheidung nicht abschließend geklärt. Der Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten im Ladengeschäft, bleibt aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten in verschiedenen Geschäftsbereichen und in Bezug auf verschiedene Waren äußerst schwierig.
5. Vorsicht bei der Werbung mit einem „Bisher“-Preis
Die Bewerbung eines Produktes mit einem „Bisher“-Preis, d.h. dem Preis der bis vor kurzem für das Produkt gefordert wurde, ist im Online-Handel äußerst beliebt und verbreitet. Diese Art von Werbung ist jedoch irreführend und in der Folge abmahnfähig, wenn das Produkt niemals zu dem angegebenen höheren Preis verkauft wurde oder die Preisreduzierung bereits eine längere Zeitspanne zurückliegt.
Für den letzteren Fall entschied das LG Bochum (Urteil vom 24.03.2016, Az.: I-14O 3/16), dass jedenfalls eine Zeitspanne von mehr als drei Monaten nach der Preisänderung eine Irreführung darstelle. Bei einer Zeitspanne kürzer als drei Monate muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine Irreführung vorliegt.
Die Werbung mit „Bisher“-Preisen sollte also zeitlich eng mit einer tatsächlichen Preissenkung verbunden werden. Aus unserer Erfahrung ist bei der Werbung mit Preisgegenüberstellungen generell - so auch im Falle der Angabe der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) des Herstellers - besondere Vorsicht geboten.
6. UPDATE: Amazons Dash Button nun vor Gericht
Wir berichteten bereits in unserem letzten Newsletter über den Amazon Dash Button. Der Amazon Dash Button ist ein mit WLAN verbundenes Gerät, mit dem Amazon-Prime-Kunden Produkte per Knopfdruck nachbestellen können. Jeder Dash Button ist an ein Produkt gekoppelt, das während des Einrichtens ausgewählt wird. Die Einrichtung und Verwaltung des Dash Buttons erfolgt über die Amazon App.
Auch wir hatten erhebliche Zweifel an der Rechtskonformität des Dash Buttons. So überraschte es nicht, dass die Verbraucherzentrale NRW Amazon wegen des Dash Buttons abmahnte (Kritikpunkte: Button fehlt der Hinweis, dass kostenpflichtig bestellt wird; keine Angaben zu wesentlichen Vertragsinhalten, insbesondere zum Preis etc.).
Da Amazon nicht bereit war, die eigenen Bedingungen zu ändern, wird nun gerichtlich geklärt, inwieweit Amazon unter den aktuellen Bedingungen den Dash Button weiterhin verwenden kann.
7. Konsequenzen des Hinweises „Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt“
Einem Mitbewerber, der auf seiner Homepage eine sog. Anti-Abmahn-Klausel „Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt“ verwendet, ist es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, für eigene Abmahnungen Kosten geltend zu machen. Die Nutzung dieser Klausel und die gleichzeitige Abmahnung von Mitbewerbern stelle ein widersprüchliches Handeln dar (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.01.2016, Az.: I-20 U 52/15).
Es ist weiterhin hervorzuheben, dass Anti-Abmahn-Klauseln ohnehin rechtlich wirkungslos sind. Sie verhindern nicht, dass ein Webseitenbetreiber die Kosten einer berechtigten Abmahnung zu tragen hat. Das Urteil des OLG Düsseldorf zeigt, dass die Nutzung einer solchen Klausel zusätzlich die Gefahr bringt, das Recht auf Ersatz eigener Abmahngebühren zu verlieren.
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