BGH: Keine Auskunftspflicht eines Bewertungsportals über Anmeldedaten anonymer Nutzer
Geklagt hatte ein frei praktizierender Arzt, dessen Leistungen auf dem medizinischen Informations- und Bewertungsportal Sanego negativ bewertet worden waren. Der Arzt sah sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, weil es sich bei der wiederholten anonymen Bewertung um unwahre Tatsachenbehauptungen gehandelt habe. Er verlangte vom Portalbetereiber, die Verbreitung bestimmter negativer Bewertungen zu unterlassen und ihm Name und Anschrift des auf dem Bewertungsportal anonym auftretenden Verfassers der Bewertung mitzuteilen. In der Revisionsinstanz ging es nur noch um den Auskunftsanspruch, welchen der BGH zurückwies (BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 - VI ZR 345/13, Pressemitteilung des BGH http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2014&Sort=3&nr=68159&pos=2&anz=104).
In der Vorinstanz hatte das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart - Urteil vom 26. Juni 2013 - 4 U 28/13, (http://openjur.de/u/693790.html) eben diesen Auskunftsanspruch bejaht. Ob dieser tatsächlich besteht oder nicht, war in der Rechtsprechung bislang umstritten (bejahend: OLG Dresden, Beschl. v. 08.02.2012, 4 U 1850/11, verneinend: OLG Hamm, Beschl. v. 03.08.2011, 3 U 196/10). Mit seiner Entscheidung hat der BGH nunmehr klargestellt, dass dem Recht auf Anonymität im Internet grundsätzlich Vorzug zu geben ist. Denn ohne Einwilligung dürften personenbezogene Daten des Nutzers (Bestands- und Nutzungsdaten, §§ 14, 15 Telemediengesetz, TMG) nicht zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen übermittelt werden. Nach dem Grundsatz der Zweckbindung (§ 12 Abs. 2 TMG) scheide eine Herausgabe dieser Daten an Dritte jedenfalls mangels gesetzlicher Ermächtigung aus. Eine solche Ausnahmevorschrift zum Schutz des Persönlichkeitsrechts habe der Gesetzgeber bislang – bewusst – nicht geschaffen. (BGH, Urt. v. 01.07.2014, a.a.O.).
Anmerkung:
Die vollständigen Entscheidungsgründe der BGH-Entscheidung liegen bislang noch nicht vor. Der Pressemitteilung lässt sich jedoch entnehmen, dass der BGH dem Recht auf Anonymität den Vorrang vor einem grundsätzlich in Betracht zu ziehenden allgemeinen Auskunftsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen gewährt. Dies hat Folgen für die Verfolgbarkeit von unwahren Tatsachenbehauptungen oder Ehrverletzungen. Denn den Betroffenen wird die Möglichkeit genommen, auf zivilrechtlichem Wege an die dem Bewertungsportal regelmäßig bekannte Identität des unter einem Pseudonym handelnden Nutzers zu kommen. Die BGH-Entscheidung dürfte von grundsätzlicher Bedeutung für alle Portale sein, auf denen unter einem Pseudonym Freiberufler wie Ärzte, Unternehmen oder Privatpersonen bewertet werden können. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Betroffene völlig schutzlos ist. Denn gegen das Portal besteht in aller Regel ein Unterlassungsanspruch, der zur Entfernung der negativen Bewertung, ggf. auch zur Verhinderung erneuter gleichlautender Bewertungen durch technische Mittel verpflichtet. Bei ehrverletzenden Delikten kann grundsätzlich Strafanzeige und Strafantrag gestellt werden. Sollte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleiten, so wäre der Portalbetreiber ihr gegenüber zur Auskunft berechtigt (§§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 S. 4 TMG). Der Betroffene könnte unter Umständen über die anwaltliche Akteneinsicht an die Identität des anonymen Verletzers gelangen. Vielfach stellt die Staatsanwaltschaft jedoch derartige Verfahren wegen Beleidigung ein und verweist den Betroffenen auf den Privatklageweg nach §§ 374 ff StPO.
Fazit:
Es ist ungefährlicher geworden, anonym negativ zu bewerten. Eine Rechtsverfolgung eigener Ansprüche gegen anonyme Nutzer ist schwieriger geworden. Oder: Symptombekämpfung ja, Ursachenbekämpfung nein.