BGH: Ungleiche Werbepraxis begründet Löschungsanspruch gegenüber Jameda

Die Beklagte betreibt die Internetseite www.jameda.de, ein Arztsuche- und Arztbewertungsportal. Die Klägerin ist niedergelassene Dermatologin und Allergologin aus Köln.

Streitauslöser jameda.de

Auf ihrem Internetportal legt die Beklagte Profile aller niedergelassenen Ärzte an. Zu lesen sind dort zunächst lediglich sogenannte Basis-Daten, das sind der Name des jeweiligen Arztes, die Adresse der Praxis sowie die Fachrichtung. Gegen Zahlung eines monatlichen Beitrags besteht darüber hinaus die Möglichkeit, ein Premium-Profil zu erhalten. Hierdurch kann dem Profil beispielsweise ein persönliches Portrait beigefügt werden. Auf allen Profilen können registrierte Nutzer Bewertungen in Form von Schulnoten sowie als Freitext abgeben. Aus diesen Bewertungen wird dann eine jeweilige Gesamtnote berechnet, die auf dem Profil angezeigt wird.

Basis-Profil vs. Premium-Profil

Die Kölner Ärztin klagte, da neben den Profilen der Ärzte, die lediglich ein Basis-Profil besitzen, Werbung zahlender Ärzte derselben Fachrichtung eingeblendet wurde. Diese Werbung beinhaltete den Namen und das Foto des Arztes, die Gesamtnote sowie die Distanz zwischen den beiden Praxen. Neben den Profilen der Ärzte, die ein kostenpflichtiges Premium-Profil besitzen, wurde hingegen keinerlei Werbung der Konkurrenz eingeblendet.

Die Ärztin verlangte die vollständige Löschung ihres Profils auf www.jameda.de, die vollständige Löschung ihrer auf der Internetseite veröffentlichten Daten sowie Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils für die Zukunft.

Das Landgericht Köln hatte die Klage im Jahr 2016 abgewiesen (LG Köln – Urteil vom 13.07.2016 – Az. 28 O 7/16). Auch eine Berufung bei dem Oberlandesgericht Köln blieb im Jahre 2017 erfolglos (OLG Köln – Urt. v. 05.01.2017 – Az. 15 U 121/16).

BGH: Verstoß gegen das Neutralitätsgebot

Der BGH (Urteil vom 20. Februar 2018, Az. VI ZR 30/17) entschied nun jedoch zugunsten der Klägerin und gab ihr in vollem Umfang Recht. Jameda verstoße mit ihrer ungleichen Werbepraxis gegen das Neutralitätsgebot. Die Beklagte verlasse infolgedessen ihre Stellung als „neutraler Informationsmittler“, so der Senat wörtlich. Eine Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und dem grundrechtlich geschützten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), falle in diesem Fall zugunsten der Klägerin aus. Die Klägerin habe damit ein „schutzwürdiges Interesse“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, dass ihre Daten nicht gespeichert werden.

Anmerkungen:

In einem früheren Urteil aus dem Jahr 2014 hatte der BGH das Bewertungsportal Jameda für grundsätzlich datenschutzrechtlich zulässig erachtet (BGH Urt. v. 23.09.2014 – Az. VI ZR 358/13). Daran hielt das Gericht ausdrücklich auch im aktuellen Urteil fest.

Mit seiner Entscheidung hat der BGH nun jedoch konkrete Grenzen der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit aufgezeigt. Diese besteht gerade nur insoweit, als dass der Portalbetreiber gegenüber allen Nutzern neutral agiert. Werden Nutzer mit kostenlosen Basisprofilen jedoch benachteiligt, besteht für diese ein umfassender Löschungsanspruch. Einer Bevorzugung zahlender Kunden wird somit die rechtliche Zulässigkeit abgesprochen.

Jameda kann die Löschpflicht jedoch durch Änderung ihrer Werbepraxis verhindern und hat dies auch bereits am Tag der Entscheidung getan. Auch auf Basis-Profilen erscheint nun keine Werbung konkurrierender Ärzte mehr. Die Löschung eines gesamten Profils wird somit wohl ein Einzelfall bleiben.

Positiv ist, dass durch das Urteil auch Betreibern anderer Portale nun eine eindeutige Richtlinie für den zulässigen Betrieb eines Bewertungsportals an die Hand gegeben wird.

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